Schicksal oder freier Wille, was ist der maßgebende Faktor im Leben des Menschen? Mit ihren Überlegungen zu dieser Frage haben Philosophen und Dichter Bibliotheken gefüllt. Ganz offensichtlich gibt es beides. Der Mensch erlebt Schicksal, indem er mit Situationen und Erfahrungen konfrontiert wird, die er bewusst nie angestrebt hat, mit denen er nicht gerechnet hat. Aber der Mensch hat auch den freien Willen, der ihn zu bewussten Entscheidungen und Handlungen befähigt. Viele Herrscher oder Helden haben mit den Taten, die sie kraft ihres Willens vollbrachten, Geschichte geschrieben.Wo immer in der Vergangenheit oder Gegenwart zu dieser Frage philosophische Streitgespräche geführt werden, gelten diese beiden Ausgangspunkte als unvereinbare Gegensätze. Entweder ist das Leben des Menschen vorherbestimmt, gelenkt und gesteuert durch ein gottgewolltes Schicksal oder der Mensch entscheidet selbst, wie er leben will und was in seinem Leben geschehen soll mit seinem Willen und seinen eigenen Verstandeskräften (so er sie denn hat). Für die Vertreter der letztgenannten Theorie ist die Schicksalstheorie überholter Aberglaube. Sie erklären die Veranlagung und damit die Fähigkeiten und Möglichkeiten eines Menschen als Produkt seiner Vererbung, seiner Erziehung und nicht zuletzt der gesellschaftlichen Verhältnisse, in die er hinein geboren wurde. Manchmal ist der Mensch mehr das Opfer all dieser – nach ihrem Verständnis – zufälligen Umstände, manchmal wird die Eigenverantwortlichkeit des Menschen betont. Allerdings bleibt man dann an der Erkenntnis hängen, dass doch das Leben tatsächlich geprägt wird von vielen Unwägbarkeiten und deshalb ungewollt durcheinander geraten kann. Zum Beispiel könne man doch jederzeit in einen Unfall verwickelt werden, der sich dem eigenen Willen entzieht. Sie kommen nicht umhin, den Zufall als mindestens gleichwertigen Faktor anzunehmen. Wieder Andere versuchen diese Widersprüche zu lösen, indem sie sagen, dass es der eigene aber natürlich unbewusste Wille wäre, der das eigene Schicksal so festgelegt hat, einschließlich aller Unglücke und Katastrophen. Aber auch sie wissen keine Antwort auf den entrüsteten Protest, es wäre doch geradezu kaltschnäuzig, beispielsweise Menschen, die als Zivilisten in einem Krieg ausgebombt werden oder bei einer Naturkatastrophe Hab und Gut und ihre Angehörigen verlieren, auch noch die Schuld daran zuzuweisen.
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Wer den Widerspruch zwischen Schicksal und freiem Willen verstehen will, darf dieser Frage nicht von außen nachgehen. Aus irdischer Sicht ist sie unlösbar wegen des Gedankens der Schuld.
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Was wir tatsächlich bekommen im Leben, ist aber in jedem Fall das, was den eigenen Vorgaben entspricht. Und weil das ja unsere tatsächlichen Pläne und Absichten sind, geschieht in unserem Leben immer unser eigener tatsächlicher Wille. Wir leben ein in jeder Hinsicht selbstbestimmtes Leben - nur, wir wissen das nicht. Deshalb sprechen wir von Schicksal oder glauben gar an den Zufall, der unser Leben dirigieren würde.Unseren eigenen freien Willen und unser eigenes Schicksal verstehen wir erst, wenn wir um unser Inneres, unsere wahre Identität wissen.Das Getrenntsein vom eigenen innersten Wesen ermöglicht sowohl das Erleben eines Schicksals als auch alle jahrhundertelangen Diskussionen darüber.