Der Tod ist der Übergang von einer Existenzform in eine andere. Aber das weiß infolge der Trennung des Bewusstseins niemand so ganz genau. Die Theorie vom Leben nach dem Tod ist zwar als Theorie allgemein bekannt und viele Menschen ahnen auch intuitiv, dass die Seele irgendwie weiter besteht, aber wo und wie, darüber gibt es die verschiedensten Berichte und Denkansätze.Nach der wissenschaftlichen Weltanschauung aber sind der Mensch und sein Körper eine untrennbare Einheit, und wenn - deutlich sichtbar - der Körper vergeht, dann kann vom Menschen nichts übrig bleiben. Und so fürchten sich gerade im westlichen aufgeklärten Kulturkreis viele Menschen vor dem eigenen Tod. Die Vorstellung, später einmal für immer von diesem Erdboden verschwinden zu müssen, einfach so weg zu sein - dieser Gedanke ist ein undenkbarer Gedanke. So ist es nicht verwunderlich, dass der Tod und alle damit zusammenhängenden Dinge das letzte große Tabu in unserer ansonsten tabulosen Zeit und Gesellschaft sind. Sterbende grenzen wir aus unserem Alltag und unseren Erfahrungen aus. Wir wollen keine Berührung mit ihnen haben und so stecken wir sie - als neueste humane Maßnahme - in Sterbehospize, wo sie von Spezialisten begleitet werden. Tod und Sterben sind für uns etwas so Unbegreifliches, dass es dafür - in der Tat - speziell ausgebildete Fachleute braucht.
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Würden wir sterbende Menschen nicht so strikt aus unserem Erfahrungsbereich ausgrenzen, dann könnten wir beobachten, wie ein sterbender Mensch sich dem Tod bewusst zuwendet, wie er ihm mit offenen Armen entgegen geht. Es ist nicht so, wie manchmal behauptet wird, dass der bedauernswerte und natürlich unglückliche Sterbende eine Hand braucht, an der er sich festhalten kann im Angesicht des Todes, dass ein Mensch ihm beistehen und Trost geben muss in den doch so schrecklichen letzten Minuten seines Lebens. Das erscheint nur Denjenigen so, die angesichts des Todes eines Menschen selbst vor einem unfassbaren, im Grunde unheimlichen Rätsel stehen.Wir - wir alle - sterben freiwillig.Der Tod wird uns nicht aufgezwungen. Jeder Mensch, der aus dem Leben scheidet, wollte sterben, auch ein Kind oder ein junger Mensch, der den äußeren Umständen nach als Opfer zu Tode kam.
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Warum stirbt der eine im Bett und der andere bei einer Massenkatastrophe? Warum fällt der eine einfach tot um und ein anderer quält sich mit Schmerzen bis zum letzten erlösenden Atemzug?Wir sterben, wie wir gelebt haben. Jeder erfährt das Sterben so wie es seiner persönlichen Art und Weise entspricht, das Leben zu erfahren. Wer immer alles sofort und ganz und gar will, der wird auch sterben bei vollem Bewusstsein, im Zustand höchster Aktivität.Wer ein wohlbehütetes Leben gewählt hat, in dem die Eltern oder der Partner für alles sorgten, der wird »sich sterben lassen«, indem ein anderer etwas tut, absichtlich oder zufällig, was den eigenen Tod verursacht.Wer das Berühmtsein im Leben nicht geschafft hat, der kann es jetzt durch die besonderen Umstände seines Todes vielleicht werden.Wer ein zurückgezogenes und unauffälliges Leben bevorzugt hat, der wird sich genauso unbemerkt von dieser Welt verabschieden und eventuell dadurch seine Isolation noch einmal ausdrücklich demonstrieren.Ein Mensch, der in seinem Leben viel Leid und Schmerz hinnehmen musste ohne sich je darüber zu beklagen, der wird vielleicht einen sehr leidvollen Sterbevorgang wählen, der niemandem verborgen bleibt und bei dem er einmal laut und deutlich sein Leid zeigen kann.Menschen mit großer Angst vor dem Tod begeben sich oft in eine Art Dämmerzustand, wo sie zwar noch ihren Körper haben, zu dem sie zurückkehren können, wo sie aber gleichzeitig ihr Bewusstsein weitestgehend abgewandt haben von dieser Realität. Diese Menschen sind in der letzten Zeit vor ihrem Tod nicht mehr ansprechbar, sind völlig orientierungslos, erkennen nicht einmal mehr ihre nächsten Angehörigen und weilen sozusagen nur noch körperlich in unserer Welt. Solche Menschen sterben bewusst ganz langsam und nähern sich dem Tod ganz behutsam. Sie sind im Moment des Todes mit ihrem Geist bereits so sehr im Jenseits, dass der - zuvor gefürchtete - Verlust des Körpers fast bedeutungslos ist.Fürsorgliche und verantwortungsbewusste Menschen - Mütter etwa, aber nicht nur, - die für sich selbst an einen Punkt gelangt sind, an dem es nur auf der nächsten Stufe weitergehen kann, wählen oftmals eine Todesform, bei der sie sich zum Sterben regelrecht zwingen. Sie ringen mit dem Impuls, bleiben zu müssen und der Erkenntnis, gehen zu wollen. Sie kämpfen, für alle deutlich sichtbar, mit dem Tod und zwingen ihn sich durch ein körperliches Desaster letztlich auf.Manche Menschen forcieren ihr Bewusstsein regelrecht, aus dem Körper zu flüchten. Das geschieht mit Hilfe von Schmerzen. Der Schmerz wird bewusst eingesetzt als Befreiung. Menschen, die in früheren Zeiten infolge einer schmerzhaften Krankheit gestorben sind, haben diesen Schmerz erstens nicht lange ertragen müssen und zweitens war der Schmerz – so unverständlich das klingen mag – mit lustvollen Gefühlen verbunden. Weil sie so erleben konnten, wie ihr Bewusstsein den Körper verlässt. Sie erfuhren ganz bewusst die Erlösung.